Der Morgen danach

Der Wind ist kalt, aber die Sonne brennt. Ein typischer Morgen hier, denke ich. Ich sitze am kleinen, runden Korbtisch, der noch nass vom Morgentau ist. Die Gabel liegt neben der Serviette, unberührt. Ich bin zu früh, wie immer. Beobachter. Das ist mein Job, mein Fluch.

Der Geruch von Salz und kaltem Kaffee hängt in der Luft, vermischt mit dem fernen, öligen Duft der Fischerboote. Eines schaukelt da draußen, träge, ein weißer Fleck auf dem graublauen Wasser. Das andere, das Segelboot, liegt tiefer, fast versunken in der Stille.

Sie steht am Geländer, die Hände über dem Kopf verschränkt, als würde sie versuchen, die ganze Welt mit einer einzigen Geste festzuhalten. Claire. Sie trägt dieses Kleid, rot und blau gestreift, das im goldenen Licht fast glüht. Die Sonne trifft sie von hinten, macht ihre Silhouette scharf und ihre langen Haare zu einem dunklen, fließenden Wasserfall.

Ich sehe die feinen Linien der weißen Häuser auf der Klippe, so ordentlich, so bürgerlich. Ein scharfer Kontrast zu dem Chaos der Felsen unter uns, wo die Wellen leise zischen. Ein Geräusch, das mich beruhigt. Das Meer spricht nicht, es atmet nur.

Ich nippe an meinem kalten Kaffee. Bitter. Mein Blick wandert zurück zu ihr. Sie bewegt sich nicht. Sie saugt die Szene ein, so wie ich sie einsauge. Aber sie ist mittendrin, ich bin nur der Rand. Das ist der Unterschied.

Ich spüre den Hunger im Magen, ein dumpfes Ziehen. Aber ich rühre mich nicht. Der Moment ist zu fragil. Wenn ich jetzt aufstehe, wenn ich nur mit dem Stuhl knarre, bricht die Magie. Und ich brauche diese Magie. Ich brauche diesen stillen, melancholischen Film, der nur für mich läuft.

Die dunklen Wolken über dem Horizont ziehen langsam weiter, wie schwere, ungelöste Gedanken. Sie versprechen nichts Gutes, aber jetzt, in diesem goldenen Schein, sind sie nur Textur. Eine dunkle Folie, die das Licht noch heller macht.

Claire seufzt leise. Ich höre es nicht, ich fühle es. Ein leiser Hauch von Nostalgie, der über das Wasser weht. Sie ist allein, und ich bin allein. Aber in diesem geteilten, einsamen Moment sind wir uns näher als je zuvor. Ich bin der Mann, der zusieht. Sie ist die Frau, die atmet. Und das ist genug. Für jetzt.

Ich lehne mich zurück in den unbequemen Korbstuhl. Warte. Beobachte. Das Licht wird weicher, die Szene beginnt zu verblassen. Der Morgen danach. Oder der Morgen davor. Es ist immer dasselbe. Nur die Gefühle sind neu. Und die sind schwer. Aber echt. Das ist das Wichtigste. Echt.

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