Im Le Petit Rien

Der Rauch hängt. Er steht wie eine milchige Wand zwischen mir und dem Rest der Welt, genau hier, in diesem Le Petit Rien. Ein passender Name, wie ich finde. Das kleine Nichts.

Ich sitze auf der Bank, das dunkle Holz knarrt leise unter meinem Gewicht. Es riecht nach altem Bier, feuchtem Holz und einem Hauch von Gewürzen, vielleicht Zimt, der sich hartnäckig in den Ritzen der Dielen festgesetzt hat. Draußen ist es hell, aber das Licht schafft es kaum, die Schwere dieses Raumes zu durchbrechen. Es fällt in breiten, staubigen Streifen durch die Sprossenfenster links, trifft auf den polierten Tresen und stirbt dort. Ein paar Flaschen im Regal fangen das Licht ein, werfen bunte, verzerrte Flecken an die dunkle Holzwand. Grün, Bernstein, ein tiefes Rot. Das sind meine Farben.

Ich bin ein Beobachter. Das war ich schon immer. Die Welt zieht vorbei, und ich sitze hier, oft allein, und mache mir Notizen. Nicht auf Papier, sondern im Kopf. Die Art, wie der Dunst aus der Küche – oder ist es Dampf? – in der Mitte des Raumes steht, fast wie ein Vorhang. Dahinter, am hohen Tisch, steht sie. Claire. Ihr Name muss nicht fallen, aber ich sehe sie. Ihre Silhouette ist scharf gegen das gleißende Fenster im Hintergrund. Sie ist nur ein Schatten, aber ich kenne die Konturen.

Sie dreht sich nicht um. Sie wartet. Auf den Barkeeper, auf eine Antwort, auf irgendetwas, das diesen Moment bricht. Ihr langes, braunes Haar fällt über ihre Schulter, ein leuchtender Schleier im Halbdunkel.

Ich höre das leise Summen der Neonröhre über dem Tresen, ein Geräusch, das niemand sonst beachtet. Das ferne Klirren von Glas aus dem hinteren Raum. Sonst nichts. Keine Musik, keine Gespräche. Nur wir, der Rauch und die Stille. Es ist eine Stille, die nicht leer ist, sondern gefüllt mit all den Geschichten, die diese Wände gesehen haben. Geschichten, die ich aufschnappe, ohne sie zu hören.

Meine Hand liegt auf dem kühlen, glatten Holz des Tisches vor mir. Ich spüre die Maserung, die kleinen Risse. Es ist ein Gefühl von Beständigkeit in einer Welt, die sich zu schnell dreht.

Ich bin oft allein unterwegs. Ein Beobachter. Ich sauge die Melancholie dieses Augenblicks ein, die Ruhe, die fast schon wehtut. Es ist die Magie eines stillen Moments, in dem alles Wichtige ungesagt bleibt. Ich weiß, dass ich gleich aufstehen, den Rauch durchqueren und zu ihr gehen werde. Aber noch nicht. Noch genieße ich diese letzte Sekunde des kleinen Nichts, bevor die Interaktion beginnt. Bevor die Welt wieder anfängt, sich zu drehen.

Ich atme tief ein. Der Geruch von altem Holz und Hoffnung. Ein lakonisches Lächeln huscht über mein Gesicht. Das ist mein Leben. Ein Augenblick, ein Bild, eine Geschichte, die nur ich kenne. Und dann: weiter. Immer weiter.