Sanctuary – Warum Schutzräume in der Dystopie niemals sicher sind

Der Begriff Sanctuary verspricht etwas, das dystopische Literatur selten einlöst: Sicherheit. Rückzug. Überleben.

In Sanctuary: Chroniken einer toten Welt wird dieses Versprechen systematisch unterwandert. Der Schutzraum existiert – aber er ist brüchig. Moralisch. Psychologisch. Strukturell.

Sanctuary ist kein Ort der Erlösung, sondern der Konservierung. Menschen werden bewahrt, aber auch eingefroren. Entscheidungen werden vertagt. Konflikte eingeschlossen. Die Welt draußen ist tot – aber die Welt drinnen beginnt zu faulen.

Literarisch betrachtet ist das konsequent. Dystopien, die funktionierende Utopien im Kleinen erschaffen, verlieren ihre Schärfe. Sanctuary dagegen bleibt ehrlich: Auch Schutzräume tragen die Fehler ihrer Erbauer in sich.

Besonders stark ist die Frage, die der Roman immer wieder stellt – ohne sie auszusprechen:
Was passiert mit Menschlichkeit, wenn Überleben zur einzigen Ethik wird?

Die Chronikenform verstärkt diesen Effekt. Sie suggeriert Ordnung, Dokumentation, Sinn. Doch zwischen den Zeilen zeigt sich: Auch Chroniken sind Auswahl. Auch sie verschweigen.

Sanctuary ist kein Zufluchtsort. Es ist ein Spiegel. Und vielleicht ist genau das seine größte Bedrohung.